WAS GEBEN MIR DIE BÄUME

 

Ich liebe Bäume. Diese Liebe hat mir mein Vater mitgegeben, der von Beruf Förster war. Schon als Kind liebte und kannte ich die Magie der Bäume. Mein Vater hat mir sehr viel beigebracht. Es war so schön mit ihm und einem unserer Hunde durch den Wald zu stromern und alles gezeigt zu bekommen, was wichtig war. Heute habe ich sehr viel davon vergessen. Aber irgendwo ist es doch noch in mir vorhanden, denn die Seele vergisst nichts. Ich kann mich in der Stadt verlaufen oder im Auto verfahren, aber noch nie habe ich mich im Wald verlaufen. Im Wald fühle ich mich immer sicher. Dort kann mir nichts passieren. Was viele nicht verstehen können. Aber ich fühle es so.

Da ich damals noch sehr klein war, durfte ich natürlich nicht alleine in den Wald gehen. Vor der Försterei war eine große Wiese und dann kam ein Waldweg. Wenn man ein Stück gelaufen war, kam links ein ziemlich hoher Berg. So sah er für mich als Kind aus. Sicher war es nur ein kleiner Hügel. Unten lagen zwei große Steine, Findlinge und oben am Berg lagen auch noch welche. Vater erzählte mir eine schöne Geschichte, denn Geschichten konnte er sehr gut erzählen.

Es war einmal ein Geschwisterpaar, ein Junge und ein Mädchen, deren Eltern hatten ihnen gesagt, dass sie unter keinen Umständen alleine in den Wald gehen durften, denn sonst würde etwas ganz schlimmes passieren. Oben auf dem Berg wohnte nämlich ein Riese. Dieser Riese hasste alle kleinen Kinder. Aber die Beiden hörten nicht auf ihre Eltern und gingen in den Wald, obwohl es ihnen verboten war. Der Riese hörte die beiden Kinder, die lachend in den Wald liefen und er warf zwei große Steine hinunter. Und er traf die beiden Kinder. Und nun liegen sie schon sehr lange unter den beiden Steinen. Unter dem einen Stein liegt das Mädchen und unter dem anderen Stein der Junge. Deshalb darfst Du nie alleine in den Wald gehen. 

Diese Geschichte beeindruckte mich sehr und ich bin tatsächlich nie alleine in den Wald gelaufen. Natürlich ist sie etwas makaber. Aber Geschichten, man denke nur an die Märchen der Gebrüder Grimm, sind oft sehr blutdrünstig und gar nicht lieblich anzuhören oder zu lesen.

Obwohl ich wirklich sehr gerne hinein gelaufen wäre. Denn im Wald passierten so viele spannende Dinge. Zum Beispiel trafen wir einmal auf ein Zigeunerlager und da war ein Junge, der mir sehr gefallen hat und der so vollkommen schön bunt angezogen war und auf einer Geige spielte und dazu wunderschön gesungen hat. Aber Vater war der Förster und er ermahnte die Zigeuner, das sie dort nicht lagern durften, weil sie viel Schaden anrichteten und er setzte ihnen eine Frist, das sie in Ruhe zusammen packen und abziehen konnten. Das verstand ich natürlich nicht. Ich wollte unbedingt wieder in den Wald, aber als wir dort waren, war alles leer und der Junge war fort und ich war furchtbar enttäuscht und traurig.

Oder einmal fanden wir einen Fuchsbau und Vater setzte seine Kleine vor den Fuchsbau und er ging den Hund holen und sagte zu mir: "Pass schön auf, das der Fuchs nicht heraus kommt." Als er zurück kam sass seine Kleine vor dem Fuchsbau und weinte bitterlich. Der Fuchs war über alle Berge.

Mein Vater kannte alle Blumen, Gräser, Kräuter, Tiere und Bäume des Waldes, so dachte ich als Kind. Die Wahrheit ist, das er sehr viele kannte und auch liebte. Zeit seines Lebens war immer sein Garten seine größte Freude und sein Hobby. Da konnte er von seinem stressigen Büroalltag abschalten. Nun ist er schon über 30 Jahre auf der anderen Seite und ich bin sicher, dass er immer wieder mal nachschaut, wie es denn hier so auf der Erde weiter gegangen ist. Ob er das verstehen kann?

In meiner Kindheit habe ich die Liebe zur Natur von meinen Eltern gelernt. Wie gesagt war da gleich hinter dem Haus der Wald und hinter dem Haus ein riesiger Garten. Ich bin mit allen möglichen Tieren aufgewachsen. Es gab Katzen, Hunde, Gänse, Hühner, Puten, Kaninchen. Im Garten hatten wir ein Reh, dass mein Vater im Hut nach Hause gebracht hatte. Teilweise hatten wir auch Füchse und Igel. Lange blieben sie nicht, weil sie, wenn sie wieder gesund waren, in die freie Natur entlassen wurden.

Aber immer und überall waren die wunderschönen Bäume, riesige, große und kleine, dicke und dünne. Grüne oder ohne Blätter, mit dicken, grünen Nadeln und rauer oder glatter Borke. Diese Bäume rauschten geheimnisvoll und redeten mit einem. Und wenn man die Hände auf sie legte, fibrierten sie leise und erzählten einem ebenfalls Geschichten von alter Zeit, was sie schon alles erlebt hatten. Vor denen man nur ehrfurchtsvoll und staunend stehen konnte.

Leider dauerte diese wunderschöne, magische Zeit nicht lange, nämlich nur sechs Jahre. Mir selbst kommt diese glückliche Zeit meiner Kindheit unendlich lange vor. Und ich denke immer gerne voller Liebe und Freude an sie zurück. Und bin meinen Eltern sehr dankbar, das sie mir diese glückliche Zeit voller Geborgenheit schenkten, denn die Zeiten waren gar nicht schön und glücklich.

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